Feldpost im Zweiten Weltkrieg
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Abbildung des Buchumschlages

Ihr daheim und wir hier draußen

Ein Briefwechsel zwischen Ostfront und Heimat
Juni 1941– März 1943

Ingo Stader (Hrsg.)

Böhlau Verlag Köln, Weimar
2006. Ca. 248 Seiten mit ca. 40 s/w-Abbildungen.
Gebunden.
Ca. € 24,90 [D] / € 25,60 [A] / SFr 43,70
ISBN 978-3-412-03106-0 / ISBN-10 3-412-03106-2

Ein Flohmarktfund und seine Bedeutung für die Wissenschaft

Vor ein paar Jahren stieß ich auf dem Flohmarkt zwischen allerhand Trödel auf einen Karton voll Briefe, Fotos und Postkarten. Bei näherer Betrachtung stellte ich fest, dass es sich um eine zusammenhängende Korrespondenz von Feldpostbriefen aus dem Zweiten Weltkrieg handelte, die ein junger Stuttgarter Arzt an seine Eltern, Geschwister, Verwandten und Kollegen geschrieben hatte. Zu meiner Überraschung befanden sich in vielen Kuverts nicht nur die Briefe des Absenders, sondern auch Schreiben, die dieser selbst empfangen und zum Aufbewahren an seine Verwandten zurückgesandt hatte sowie Zeitungsausschnitte und Fotos.
Zum Glück war dem Händler mein Interesse nicht weiter aufgefallen, so dass ich die gesamte Kiste zu einem erschwinglichen Preis erstehen konnte. Was sollte mit dem Fund geschehen? Zu Hause fing ich an, die Korrespondenz zu sichten. Rund 300 Briefe waren es, aus der Zeit zwischen Juni 1941 und März 1943. Ich begann, sie Stück für Stück zu lesen und tauchte ein in eine für uns heute kaum mehr vorstellbare Welt. Die Personen wurden lebendig, der Stuttgarter Arzt Adolf B., seine Geschwister und Verwandten, die Ärztekollegen sowie Bekannte und Nachbarn aus seiner Heimatstadt. Ich war fasziniert von dieser unmittelbaren und direkten Sprache, die plötzlich die Vergangenheit mit der Gegenwart verband. Schließlich beschloss ich, die gesamte Korrespondenz abzutippen. Schnell stellten sich Fragen. Wo genau war Adolf B. im Krieg eingesetzt worden, in welche Kämpfe war er verwickelt, was hatte er erlebt? Fragen über Fragen, denen ich nachging, so dass aus dem Abtippen eine umfangreiche Recherche wurde. Ich wollte mehr über Adolf B. und sein Umfeld erfahren. Vor allem interessierte mich, was in den Köpfen der Verfasser dieser Briefe vor sich gegangen war.

"Es wird überall ein rücksichtsloser, erbitterter Kampf auf Leben und Tod entbrennen", schreibt Adolf B., ein Stuttgarter Arzt, seinen Eltern und Geschwistern wenige Tage nach Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion. Das klingt gewichtig, propagandistisch und wenig persönlich. Warum schreibt er so? Von seiner anfänglichen Euphorie, doch auch von den ersten Fragen und Zweifeln erfährt der heutige Leser in den hier edierten Feldpostbriefen aus den Jahren 1941-1943. Während des Zweiten Weltkrieges wurden rund 40 Milliarden Sendungen zwischen Front und Heimat befördert. Äußerst selten ist jedoch trotz der Fülle an überlieferter Kriegspost ein nahezu vollständiger Briefwechsel wie der vorliegende erhalten geblieben. In chronologischer Abfolge stellt die Edition den Briefen von der Front die Schreiben aus der Heimat - von der Familie, den Nachbarn, von Kollegen und Vorgesetzten - gegenüber und bietet somit eine eindringliche Dokumentation zeitgeschichtlichen Erlebens. Aus der Korrespondenz spricht kein nationalsozialistischer Fanatismus, dennoch irritiert das widersprüchliche Nebeneinander von NS-Propagandafloskeln zur Beschreibung brutaler Verbrechen und rührenden Details aus Familie und Nachbarschaft.

Ingo Stader