Feldpost im Zweiten Weltkrieg
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d. 20.5.42
Liebe Elly,
Soeben kam Dein Brief vom 5. 5. an und ich will auch sogleich antworten. Die Post arbeitet jetzt scheinbar etwas unregelmäßiger. Z.Z. habe ich die in Saarbrücken an 1 Tage abgeschickten Päckchen mit 80 gr Abstand bekommen. Gestern kam der Rest: Schokolade, Drops und Pudding mit Sacharin. Prima. Habe mich sehr darüber gefreut, denn süße Sachen sind hier Raritäten. Dagegen habe ich von Onkel Alex nichts bekommen. Papa hatte mir vor Wochen den Eingang meiner Reismarken (es war übrigens mein Restbestand) bestätigt, geschickt haben sie aber nichts (außer dem Speck). Aber ich will die Hoffnung nicht aufgeben, vielleicht kommen doch noch mal ein paar Kekse. Im Augenblick ist das aber nicht mehr so wichtig, denn ich hatte in den letzten 10 - 14 Tagen ausreichend zu essen. D.h. an der Truppenverpflegung hat sich nichts geändert, ich habe mir aber Zusatzverpflegung beschafft, die hauptsächlich aus Eiern + Kartoffeln bestand und mengenmäßig so viel war, wie die Truppenverpflegung und qualitätsmäßig sicher noch besser. Auch 1 Brot + ca. 180 gr Speck waren dabei. Wenn es so weiter geht und alles klappt, bin ich für die nächsten 2 - 4 Wochen auch noch versorgt und brauche nicht mehr hungern. Allerdings habe ich das Rauchen radikal eingeschränkt. Fällt zwar schwer, muss aber sein, denn es ist die Grundlage meiner Geschäfte, die ich raffiniert + rücksichtslos betreiben muss, um dabei zurecht zu kommen. Ich habe mich eben so langsam akklimatisiert und begriffen, dass man in Russland brutal und gewissenlos sein muss. Sonst geht man unter. [z.] [B.] Mein Tagesquantum Eier ist 4 - 12 Stück. Habe noch nie so viel Eier gegessen + werde sie wohl bald über haben. Nun zu Deinem Brief: Für die geographischen Auskünfte schönen Dank. Ist für mich sehr interessant. - Z.T. sind ja Deine Fragen schon durch vorangegangene Briefe beantwortet. Hast Du alle bekommen? Die letzten waren vom 2.5.10.15./V. Es wäre gut, wenn Du Deine Briefe nummerierst, damit ich danach den Eingang bestätigen kann. - Honig gibt es hier noch nicht. Wird auch sehr teuer werden, da Süßigkeiten + Zucker etc. fast gar nicht zu haben bzw. von den Russen selbst gegessen werden. - Für das Geld kannst Du Stoff besorgen. Du wirst aber wenig Glück haben, fürchte ich. Auch in Frankreich, denn da gibt es auch nicht mehr viel. - Dass Ihr Euch mit Onkel Alex so gut steht, freut mich sehr und auch, dass er sich mit der neuen Situation so gut abfindet. Hat er was von Kettenbachs gesagt? Was sie so über uns reden etc.? Natürlich war das Bild richtig geknifft. Scheinbar hast du mich nicht ganz kapiert. Ich kann nicht immer so schreiben, wie ich möchte, aber jeder Satz ist überlegt und nur muss man immer zwischen Übersetzung und Ironie unterscheiden. - Das Wetter ist wundervoll. Richtig Sommer. Glühender Sonnenschein, dazwischen erfrischende Gewitter. Schon seit ca. 14 Tagen. Dazwischen war es auch schon wieder mal kälter und nass, wird aber jetzt wohl schön bleiben. - Pfingsten wird bei uns "gefeiert". Seit einiger Zeit wird dafür eingespart: 1. Verpflegung (Fett, Fleisch, Portionsalkohol [alle 14 Tage 1/8 l. Rum], Brot etc.). Schokolade. 2. Marketenderwaren (Zigaretten, Zigarren, Bohnen-Kaffee, Schnaps, Likör etc.). Zur Feier werden DRK Schwestern, Offiziere und Musiker eingeladen. Alle bekommen voraussichtlich warmes Essen, Kuchen, belegte Brote, Bohnenkaffee gratis. Dazu käuflich: Tabakwaren + Alkohol. Natürlich schneiden wir dabei schlecht ab, denn die Gäste bekommen ja auch von den uns zustehenden Sachen. Ob das aber viel ausmacht, ist bei dieser Art der Verteilung nun nicht zu kontrollieren, ist aber auch gleichgültig, denn schließlich ist es doch ein schöner Beweis der Kameradschaft zwischen DRK, den Vertretern anderer Einheiten und uns, wenn wir ohne zu fragen was wir einbüssen und trotz der knappen Zeit, Gäste einladen und bewirten. Bei anderen Einheiten gibt es solche Feste nicht, sondern da werden die Lebens- u. Genussmittel gleichmäßig und gerecht verteilt, aber schließlich sind ja solche Feste sehr schön und Kameradschaft geht dann über Gerechtigkeit. Zunächst bin ich allerdings durch die Vorbereitungen schwer getroffen, denn ich bin wieder zum Singen kommandiert worden, obgleich ich gar nicht singen kann. Die Proben sind nun täglich 17 Uhr, also in der Zeit, wo ich sonst im Soldatenheim esse oder organisiere. (Es ist übrigens meine wachfreie Zeit.). Der Verlust ist für mich ganz beträchtlich, denn gestern gab es viel Zigaretten, die mir etwa 15 Eier eingebracht hätten. Ja, Feste feiern + Kameradschaft kosten eben Opfer. - Bin übrigens wieder auf Wache und versuche meine Gedanken zu sammeln, während das Radio quäkt. Das Programm ist ja jetzt immer sehr lustig. Schon mehrmals habe ich heute meine Lieblingsmelodie gehört: "Der kleine Postillion" + "Es saßen einmal 4 Mädchen auf einer Bank". Eben wurde auch gespielt: "Es ist so schön Soldat zu sein" und das erinnert mich so an die Garnison. Oft hört man auch schöne deutsche Tanzmusik und es fällt einem immer schwer, nicht aufzuspringen und den Kasten kaputt zu schlagen. (Verflucht! Das konnte ich mich nicht verkneifen. Das musste mal gesagt werden!) Ja, ich könnte ja nun noch sehr viel schreiben, denn Stoff habe ich mehr als genug, aber die Zeit ist ja zu knapp und man wird blöde vom vielen Schreiben. Eins aber noch: Meinen Bericht über Russland und die Gegenüberstellungen vom nationalsozialistischen Deutschland + dem bolschewistischen Rußland wirst Du ja inzwischen bekommen haben. Ich will dazu nur noch bemerken, dass Du allen Zeitungsberichten über Russland vollen Glauben schenken kannst, wenn auch viel propagandistisch herausgestellt wird, Es ist wirklich furchtbar, nicht nur jetzt, sondern auch gewesen. Aus Berichten der Bevölkerung habe ich vieles entnehmen können, obgleich es nicht zu einem abgerundeten Bild reicht. Aber einheitlich wird ungefähr folgendes gesagt: Lebensmittel, Schokolade, Alkohol + sonstige Genussmittel gab es in großer Menge. Wenn eine Hungersnot ausbrach, lag es an Fransportschwierigkeiten. Für Vergnügen + Volksbelustigungen war ebenfalls reichlich gesorgt. Arbeitszeiten waren sehr günstig wurden aber streng eingehalten. Unberechtigtes Fehlen = Sabotage + schwere Strafen. Reisen verboten + Passzwang beim Überschreiben des Bezirks oder der Zone. Wohnungen katastrophal und für europäische Begriffe menschenunwürdig. Strassen in tollem Zustand. Eisenbahnlinien großzügig geplant und z.Z. auch schon gebaut. Überall große industrielle + landwirtschaftliche Produktionssteigerung. Viel Außenhandel. Aber jeder Fortschritt wurde für militärische Zwecke ausgenutzt. Das Volk hatte Brot + Spiele, lebte aber sonst arm + bedrückt, denn außer an Essen + Vergnügen fehlte es an allem, z.B. Wohnung, Möbel, Einrichtungsgegenstände, Kleidung usw. waren knapp + teuer. Das Proletariat + die Jugend waren scheinbar für die Regierung, ältere Leute aber, und solche die einen höheren Lebensstandard + Freiheit erstreckten, waren dagegen. Es ist interessant, einen Vergleich zwischen Deutschland + Russland zu ziehen und erfreulich, wenn man dabei die deutsche Einigkeit betrachtet, wo ein Volk geschlossen hinter seinem Führer steht, weil es weiß, dass er diesen aufgezwungenen Krieg nur führt, um dem Volk wieder die Freiheit zu geben und ein schöneres und besseres Leben. Und dazwischen steht nun noch England + der jüdisch-plutokratische Kapitalismus. England unterstützt nun Russland, nicht etwa, weil es besondere Sympathien für den Bolschewismus hat, sondern weil R. uns militärisch unterlegen ist und E. ohne eigene schwere Opfer den Krieg verlängern will, in der Hoffnung, dass R. + D. sich gegenseitig aufreiben, denn beide Länder + Regierungen sind ihm gleichermaßen verhasst. Bestimmt keine schlechte Politik, aber sie werden sich irren. Wir sind ja auf einen langen Krieg eingerichtet und haben auf jedem Gebiet vorgesorgt und selbst wenn wir uns mit der Verpflegung noch mehr einschränken müssen, der Siegeswillen des Volkes ist nicht zu erschüttern. (Ich habe nämlich gehört, dass es im Sommer für die Zivilbevölkerung kein Fleisch + weniger Brot geben soll, da man ja bekanntlich im Sommer sowieso wenig isst.) Aber wir werden auch das noch überstehen, denn es ist bestimmt der letzte Kriegssommer und ich glaube auch nicht, dass es noch einen Kriegswinter in Russland gibt. Wir werden uns müssen siegen, denn sonst würde es uns schlecht gehen. Das ausländische Judengesindel würde sich fürchterlich am Volk rächen, denn hier sind, um der Welt endlich Ruhe + Frieden zu bringen, hunderttausende von Juden hingerichtet worden. Vor unserer Stadt sind auch 2 Massengräber. In einem liegen 20.000 Juden + und dem anderen 40.000 Russen. Zuerst ist man zwar davon erschüttert, aber wenn man an die große Idee denkt, dann muss man ja selbst sagen, dass es nötig war. Jedenfalls hat die SS ganze Arbeit geleistet und man hat ihr viel zu verdanken. Vielleicht werden wir später mal die ganze Größe der Zeit erfassen, vielleicht auch nie. Aber die Geschichte wird uns schon Antwort geben. - Seite 5 habe ich erst heute am 22. anfangen können, denn ich hatte inzwischen keine Zeit. Wache, Aufladen + Singen ohne Pause. Durch das Aufladen des schweren Gerätes, an dem ich mich beteiligen musste, bin ich wieder vollkommen fertig. Werde mich nächste Woche wohl wieder krank melden müssen. Hoffentlich habe ich Erfolg. Will versuchen, dass ich versetzt werde. - Die neuesten Parolen: Die Kolonne soll nun ca. 200 km vorgezogen werden + die alten Qualtiere beziehen. Die Urlaubsfrage schwebt noch. Vorläufig ist keiner mehr gefahren. Ob noch weitere gehen, halte ich für fraglich. Jedenfalls bin ich nicht sehr optimistisch. - 3 Mann von uns (2 alte, 1 neuer) kommen krankheitshalber ins Reich. Leider werden es immer mehr, die schlapp machen. - Montag startet unsere Feier. Von uns werden nicht viele teilnehmen können, denn nach Abzug der Wachen + Kommandos bleiben nur noch 45 - 55 Mann. Dafür werden aber viele Gäste erwartet. (Die Schätzungen schwanken zwischen 40 + 100). - Die Kolonne hat jetzt auch Zusatzverpflegung besorgt. (Eier + Weisskäse). Haben die Wache fast nur Zwischenverpflegung von der Kolonne bekommen. Die Truppenverpflegung ist eingespart worden. (Nur 1 x gab es Wurst). - Die Frontzulage soll es jetzt nicht mehr geben, da wir nicht in der Kampfzone liegen. Das wären statt 25,- RM pro Dekade 15,- RM. Die entgültige Entscheidung liegt aber noch nicht vor und wird in den nächsten Tagen erwartet. Vor 4 Wochen ist es schon 1 x abgelehnt worden. Hoffentlich jetzt wieder. Man kann zwar nichts anfangen mit dem Geld, freut sich aber doch. - So, nun muss ich aber Schluss machen, denn sonst kommt der Brief gar nicht mehr weg. Ist ja wohl auch lange genug. Wenn Dir etwas unklar ist, oder Du Fragen hast, dann schreibe. Ich kann verstehen, wenn meine Briefe manchmal schwer zu verstehen sind, aber das lässt sich nicht anders machen. Ich gebe aber gern ausführlich Erklärungen.
Nächste Woche folgt ein Bericht über die Feier etc.
Und nun recht herzlichen Gruß auch an Fred und alles Gute
Heinz
An Papa + Onkel Alex schreibe ich extra. Du brauchst die Briefe nicht nach Saarbrücken zu schicken.